Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums e.V.

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Berichte chronologisch

Mai 2006: Ausstellung: Gewichtiger Tauchgang

'Weltpremiere' steht auf den Plakaten der Sonderausstellung 'Ägyptens versunkene Schätze', die von Mitte Mai bis Anfang September 2006 im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen ist.

Das gilt uneingeschränkt für die in der Ausstellung versammelten Funde, die der Franzose Franck Goddio in den letzten zehn Jahren in der Bucht von Abukir östlich von Alexandria aus dem Meer geborgen hat, aber es ist irreführend, diesen Anspruch auf die Unterwasser-Archäologie von Alexandria auszudehnen; denn bereits im Mai 1998 zeigte das Petit Palais in Paris 'La gloire d Alexandrie', eine Ausstellung, in der die inzwischen vielfach publizierten Forschungen des Franzosen Jean Yves Empereur im antiken Hafen von Alexandria präsentiert wurden, also dort, wo der Pharos stand und wohl auch der legendäre Palast der Kleopatra. Davon ist in der Berliner Ausstellung und auf den 464 Seiten des gewichtigen Katalogs nicht einmal in einer Fußnote die Rede, denn die beiden Expeditionsleiter kommunizieren - wenn überhaupt - nur über ihre Anwälte.

Erste Kontakte zwischen Franck Goddio und dem Gropius-Bau wurden bereits im April 2001 geknüpft, als die Berliner und Münchner Museumsdirektoren von Goddios Forschungsschiff Princess Duda aus die Leiter des Gropius-Baus und des Hauses der Kunst in München anriefen und fragten, ob sie sich vorstellen könnten, über dieses Projekt eine Ausstellung zu zeigen. Erste Konzeptideen und Gestaltungsvorschläge wurden von den ägyptischen Museen Berlin und München im Sommer 2001 an Goddio und seinen Sponsor, die Hilti Foundation, übergeben. Dann brach der Kontakt ab. Nun sind die versunkenen Schätze unter Goddios Regie zu einer Ausstellung geworden, die nicht nur in ihrer perfekten medialen Aufbereitung und Vermarktung, sondern auch in ihrer Präsentation Bewunderung verdient.
Da ist zunächst die Monumentalität der im Lichthof des Gropius-Baus aufgestellten Granitstatuen, deren Höhe von mehr als 5 m den Rahmen üblicher musealer Präsentation sprengt. Nicht weniger eindrucksvoll ist die Masse der Statuenfunde - Sphingen im halben Dutzend, dazu doppelt so viele Sphinxköpfe aus Rosengranit und eine ganze Serie von Mantelstatuen aus grauem Granit. Die Werbung mit 500 Ausstellungsobjekten ist eher irreführend, denn zu den Zähleinheiten gehören auch Hunderte von Münzen, Gebrauchsgegenständen, Keramik und winzigen Schmuckstücken. Nicht die Masse zählt, sondern das Faktum, dass alle Ausstellungsstücke von ein und demselben Fundort stammen und dessen Geschichte vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis ins 6. Jahrhundert n. Chr. belegen, quer durch alle sozialen Schichten und Lebensbereiche. Denn Goddio ist es gelungen, nach sorgfältiger Ortung mit modernster Technologie nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche die untergegangene antike Stadt Heraklion zu lokalisieren, einen der wichtigsten Export- und Importhäfen Ägyptens, etwa 20 Kilometer östlich von Alexandria beim heutigen Abukir gelegen..
Bedauerlich, dass die ägyptische Altertümerverwaltung, die sich hier so überaus kooperativ gezeigt hat, nicht auch bereit war, zu der von Goddio gefundenen Stele das Duplikat aus Naukratis (heute Kairo) auszuleihen. Zwei identische Originalobjekte nebeneinander, nur in einer kurzen Passage des Hieroglyphentexts verschieden: Einmal der antike Ortsname von Heraklion, das andere Mal der von Naukratis. Der sonst identische Text handelt von Einfuhrzöllen, die in Heraklion, 'der Stadt an der Mündung des Flusses ins Meer der Griechen' kassiert werden und im Tempel der Neith von Sais abzuliefern sind.

Um den Lichthof mit seinen monumentalen Objekten sind Themenräume gruppiert, die klar zwischen der Erlebniswelt Unterwasserarchäologie und den Originalen scheiden. Die Dramaturgie der Gestaltung vermeidet grelle Effekte und findet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Objekt und Information.
Ein nahe liegendes Szenario für den Lichthof blieb ungenutzt, ihn in einen transparenten blauen Kubus zu verwandeln, in dem die originale Fundsituation mit ausgewählten Originalobjekten hätte nachgebaut werden können. Nicht klar thematisiert ist die Funktion des Mittelmeerhafens Heraklion als Drehscheibe des Waren- und Ideenaustauschs in beiden Richtungen, für den Export von Göttern und Gütern aus Ägypten in die hellenistisch-römische Welt und für den Import hellenistisch-römischen Kunst- und Kulturguts nach Ägypten.
Unbeachtet bleibt ein allenthalben zu beobachtender kunsthistorischer Aspekt. Von wenigen skulpturalen Werken (ausschließlich Statuen von Göttinnen und Königinnen) abgesehen, ist die künstlerische Qualität der Kolossalstatuen, der Sphingen, der Mantelstatuen mittelmäßig. Das lässt daran denken, dass Heraklion, die östliche Vorstadt Alexandrias, der Handelshafen, die Stadt des Kommerzes, künstlerisch geringere Ambitionen und Potentiale hatte als Alexandria, die Metropole. Die Dauerausstellungen der Antikensammlung (Kleopatra!) und des Ägyptischen Museums (Horsatutu, Ptolemäus X:, Dime-Statuen!) im Alten Museum bieten hier den ergänzenden qualitativen Kontrast. Das in der Sonderausstellung so reichhaltig gebotene Material regt zu Fragen an, die noch nicht gestellt sind, und der reich bebilderte Katalog bietet über die Ausstellung hinaus eine erste Grundlage zu ihrer Beantwortung.

Im Anschluß an Berlin werden „Ägyptens versunkene Schätze“ in Paris gezeigt, im Grand Palais. Und so fügen sich die beiden konkurrierenden Alexandria-Projekte für das Publikum doch noch zur Einheit - wenn auch in der Distanz von acht Jahren.

Dietrich Wildung
(aMun 29, S. 30 - 32)

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