Der ehemalige Griechische Saal ist mit dem Nordwestflügel des Neuen Museums im Krieg völlig zerstört worden. Sein Wiederaufbau bietet den würdigen Rahmen für die Präsentation altägyptischer Skulptur. Nicht eine historische Abfolge gliedert den Raum, sondern Typologie des Menschenbildes in der ägyptischen Plastik. Die beiden Grundformen, die Stand-Schreitfigur und die Sitzfigur, sind jeweils in einem weiten Rechteck aufgestellt, in dessen Mitte sich die Besucher von allen Seiten beobachtet sehen und selbst zu einem Bestandteil der Inszenierung werden. Im hinteren Raumteil folgen Kniefiguren, Würfelstatuen und Schreiberfiguren. Vor dem Hintergrund der formalen Einheitlichkeit dieser fünf Statuentypen wird die stilistische Veränderung des Menschenbildes im Verlauf von drei Jahrtausenden unschwer sichtbar.
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Kniefigur
Als Stelophor hält der Kniende vor sich eine Stele, eine Tafel, auf der der Text seines Gebetes, meistens ein Hymnus an den Sonnengott, in Hieroglyphen aufgeschrieben ist. Als Naophor bringt er einen Schrein dar, in dem die Figur der angebeteten Gottheit steht. Als Opfernder hält er Gefäße oder eine Opferplatte. Die in den Höfen der Tempel aufgestellten Statuen werden von ihren Stiftern als Denkmäler genutzt, auf denen sie in biographischen Texten ihre Verdienste aufzählen. Diese an die Umwelt gerichtete Selbstdarstellung in öffentlich aufgestellten Statuen gewinnt in der Spätzeit ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. große Beliebtheit.
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Stelophor des Sa-Iset
18. Dynastie, 1550- 1292 v. Chr.
Kalkstein, bemalt
30 x 14,5 x 17,5 cm
Inv.-Nr. ÄM 2314
Sa-Iset hat die Arme in Gebetshaltung erhoben und berührt mit den Handflächen die vor ihm stehende Stele. Der Dargestellte trägt einen langen, von den Hüften bis zu den Knöcheln reichenden Schurz, eine Strähnenperücke und einen kurzen Knebelbart. Das Giebelfeld der Stele ist mit den Symbolen für Dauer (der Ring in der Mitte) und für Schutz (die beiden Udjat-Augen) geschmückt. Darunter folgt der Text:
'Anbetung des Re am Morgen, wenn er am Horizont des Himmels aufgeht, durch den Goldschmied des Amun, Sa-Iset; er sagt: Gruß dir, Re, wenn du aufgehst, Verborgener, Gottesmacht.'
Schreiberfigur
Der im Schneidersitz am Boden Hockende, der auf seinem Schurz eine Papyrusrolle entfaltet hat, ist der Schriftgelehrte. Er gehört zur Elite der altägyptischen Gesellschaft. Historische Persönlichkeiten, die sich durch kulturelle Leistungen als Dichter, Architekten und Künstler einen Namen gemacht haben, werden in ihren Schreiberstatuen, die an Tempeltoren öffentlich aufgestellt werden, noch nach Jahrhunderten verehrt. Dem entspricht auch die Darstellung der Zeichen des Alters in den Fettwülsten des Oberkörpers - ein klarer Gegensatz zum sonst gültigen Ideal der Alterslosigkeit.
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Schreiberfigur des Dersenedj
Altes Reich, 5. Dynastie, um 2400 v. Chr.
Rosengranit
Memphis
Höhe 68 cm
Inv.-Nr. ÄM 15701
Der 'Scheunenschreiber und Domänenverwalter' Dersenedj ist mit untergeschlagenen Beinen am Boden hockend als Schreiber dargestellt. Dieser Statuentypus ist seit ca. 2600 v. Chr. in der ägyptischen Kunst belegt und zeichnet den Dargestellten als lese- und schreibkundigen Beamten des ägyptischen Staates aus. Über die auf dem Schoß ausgerollte Papyrusrolle führt er mit der rechten Hand den - nicht dargestellten - Schreibgriffel. Charakteristische Merkmale der Skulptur des Alten Reiches sind der muskulöse Körper, der fast direkt auf dem Schultergürtel aufsitzende Kopf, das großflächige, glatte, faltenlose Gesicht sowie die Strähnenperücke. Die für das Grab des Dersenedj geschaffene Statue sollte kein realistisches Abbild sein, sondern ein idealer Körper, mit dem der Verstorbene im Jenseits weiterleben konnte.
Sitzfigur
Die Sitzfigur zeigt den Menschen nicht in Ruheposition, sondern in angespannter, konzentrierter Haltung mit aufrechtem Oberkörper, hoch erhobenem Kopf und sorgfältig positionierten Armen und Beinen. In der Hieroglyphenschrift steht das Zeichen des Thronenden für 'vornehm, edel'. Hinter den Namen des Verstorbenen gesetzt, erhebt es diesen zu einem Verklärten, zu einem ewig Lebenden. Der eng anliegende Mantel, den manche Sitzfiguren tragen, unterstreicht diese Bedeutung. Er ist dem Ornat des Osiris entlehnt, des Gottes der Auferstehung.
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Sitzfigur des Chertihotep
Mittleres Reich, 12. Dyn., um 1800 v. Chr.
Quarzit
Assiut (?)
H. 76,5 cm
Inv.-Nr. ÄM 15700
Dass die Haltung der altägyptischen Sitzfigur ein Thronen des der Sterblichkeit enthobenen Verstorbenen ist, wird in der Sitzfigur des Chertihotep aus hartem gelb-braunem Quarzit nicht nur in der würdevollen, konzentrierten Haltung sichtbar, sondern auch in der Einhüllung des Körpers in einen langen Mantel, den bereits die Figur der Frühzeit trägt. Er erinnert an die Gestalten des Osiris, Ptah und Min, der Götter der Auferstehung, Schöpfung und Fruchtbarkeit. Einen ähnlichen Mantel trägt der König beim Sed-Fest, bei dem die Erneuerung seiner Kräfte rituell begangen wird. Unter diesem Mantel ist der Körper als an die Oberfläche drängendes Volumen erkennbar, voll Spannkraft und Energie. Die hoch angesetzten Ohren und der in eine unbestimmte Ferne gerichtete Blick vermitteln den Ausdruck gespannter Aufmerksamkeit. Chertihotep scheint vor seinem Jenseitsrichter zu thronen, bereit, Auskunft zu geben über sein Leben, und seiner ewigen Fortexistenz gewiss.
Stand-Schreitfigur
'Im Gehen stehend und gehend im Stehen' beschreibt Thomas Mann die Haltung der aufrechten Figur. Im räumlichen Gerüst von rechteckiger Basisplatte und Rückenpfeiler läuft eine Senkrechte vom Kopf der Figur zum rechten Fuß; die Diagonale des linken Beines gibt der Figur eine virtuelle Bewegung, die noch nicht vollzogen ist. Dieser Statuentypus garantiert die physischen Kräfte, die Funktionsfähigkeit des Körpers als eine der Voraussetzungen ewigen Lebens.
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Stand-Schreitfigur
Mittleres Reich, 12. Dyn.,um 1900 v. Chr.
Holz
Abusir
H. 10,2 cm
Inv.-Nr. ÄM 16600
'Im Gehen stehend und gehend im Stehen', beschreibt Thomas Mann die Figur, deren Körperachse vertikal vom Kopf bis in die Ferse des rechten Fußes verläuft und deren vorangesetztes linkes Bein mit der Fußsohle den Boden berührt. Statik und Dynamik verbinden sich zu einer virtuellen Bewegung, die noch nicht stattgefunden hat. Die Haltung dieser Stand-Schreitfigur signalisiert Handlungsbereitschaft, stellt den Moment vor der Aktion dar und ist in ihrer sichtbaren Gespanntheit ein Ausdruck der Selbstbeherrschung, wie sie in ägyptischen Texten als Lebensideal geschildert wird. Dieser Statuentypus, schon um 3000 v. Chr. belegt, verleiht dem Dargestellten immerwährende physische Handlungsfähigkeit als eine der Voraussetzungen für ein ewiges Leben.
Würfelfigur
Erst zu Beginn des Mittleren Reiches um 1950 v. Chr. tritt der Typus der Würfelfigur auf. Die mit eng angezogenen Knien am Boden hockende Figur ist in einem Kubus verborgen, aus dem oft Füße und Hände herausschauen. Der aus dem Kubus ragende Kopf gewinnt im Gegensatz zur geschlossenen Würfelform besondere Lebendigkeit. Die Flächen des Würfels bieten Raum für biographische Inschriften. Wie die Kniefigur ist auch die Würfelfigur eine Statuenform, die für den öffentlichen Raum bestimmt ist. Die Bedeutung dieser Statuenform ist noch nicht geklärt.
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Würfelfigur des Senenmut mit der Tochter der Königin Hatschepsut - Nefrure
18. Dynastie, ca. 1460 v. Chr.
Granit
Theben
Höhe 100 Breite 59 Tiefe 77,5 cm
Inv.-Nr. ÄM 2296
Senenmut, als Vertrauter und Erzieher der Tochter von Hatschepsut, durfte als Zeichen seiner hohen Stellung und königliches Privileg eigene Statuen im Hof der Tempel von Theben aufstellen. Eine große Zahl dieser Statuen stellt ihn mit der Prinzessin Nefrure dar. Das Mädchen ist voll in den alles einhüllenden Mantel integriert, so dass nur noch ihr Gesicht mit der charakteristischen Seitenlocke des Kindes sie identifiziert.